Frauen in Tracht

 

Coba Pronk aus Scheveningen hat immer Tracht getragen, obwohl sie als Mädchen neidisch auf ihre Freundinnen war, die in einem Kleid herumlaufen durften, was in den dreißiger Jahren üblich wurde. Damals hat Coba die Tracht als Einschränkung empfunden. Sie hätte gern an einem Kochkurs teilgenommen, es aber aus Angst, wegen ihrer Kleidung ausgelacht zu werden, nicht getan. Dennoch hatte ihre Mutter ihr verboten, die Tracht abzulegen. Sie verfügten nämlich über einen reichen Vorrat davon, und so etwas warf man doch nicht einfach weg. Außerdem fehlte es an Geld, normale bürgerliche Kleidung zu kaufen.

Es ist nicht leicht mit diese Frauen ins Gespräch zu kommen. Sie sind nicht gewöhnt, selbst das Wort zu ergreifen, und vor ihrem Hintergrund ist es ihnen auch fremd, mit ihrem Gefühlen hausieren zu gehen. So verweigerte mir Teuntje Westland aus Huizen anfangs ein Gespräch, indem sie behauptete, „damit nichts zu tun haben zu wollen“ und „dumm“ zu sein. Die achtsichjährige, strenggläubige Frau in ihrem schwarzen Rock und der dunklen Jacke erklärte, sie könne nicht formulieren. Doch selten hörte ich jemanden das so treffend erklären. „Ich weiß nicht, ob Sie es wissen, aber bei der Befreiung bekamen wir schwedisch Weißbrot. Das Brot war lecker. Aber jemand, der reich war, konnte sich Belag dafür kaufen, von seinem Geld. Wir konnten das nicht. Schauen Sie, so meine ich das jetzt auch: Es gibt Menschen, die können etwas anderes sagen, mit eigenen Worten, aus dem eigenen Mund, aus dem eigenen Kopf.“

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Lijsje Springer aus Urk

Für Teuntje ist es selbstverständlich das sie Tracht trägt. Auch auf ihrem Reisen ins Ausland, die sie seit kurzem unternimmt, legt sie die Tracht nicht ab. „Im Urlaub in Amerika hatte ich sie auch an. In Disneyland habe ich viel Aufsehen erregt.“

Die Frau eines wohlhabenden Schiffbauers auf der ehemaligen Insel Urk erinnert sich noch, wie sie zum ersten mal in Tracht in die Schule kam. Zu Hause fehlte das Geld um die Korallenkette mit einem Goldschloss zu versehen. Ein anderes Kind trug aber die Kette mit Goldschloss, und der Lehrer fragte die Klasse, wer die schönere von beiden sei. Weinend war sie zu Hause gekommen, aber ihre Mutter hatte nüchtern gesagt, sie wolle erst noch sehen, wer von beiden länger in Tracht gehen würde. „Diese Frau“ sagt Marretje Metz nun, „trägt schon lange keine Tracht mehr.“

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Teuntje Westland aus Huizen

Viel weniger farbenfreudig als die Tracht von Marretje Metz ist die Kleidung von Dirkje van Putten aus Oldebroek.  Sie erinnert sich: „Ich habe als Kind gesagt, ich ziehe die bürgerliche Sachen nicht an. Die Sonne muss erst an einer andere Stelle aufgehen, bevor ich das tue. “Noch immer will sie nicht anderes, auch aus finanziellen Erwägungen. Die Kleidung ist aus altmodischem, grundsoliden Stoff gemacht, der nie verschleißt, und weil ihr „andere Kleider“ nicht passen. „Dein Körper passt sich an“, sagt sie offenherzig und deutet auf ihre Brüste, die bis zum Band ihrer Schürze hangen. „Einen BH oder ein Korsett habe ich nie getragen. Ein Kleid würde mir jetzt nicht mehr stehen.“

Die Frauen sind die letzen einer Generation. Nach ihnen wird die Tracht aussterben. Sie sind sich dessen bewusst. Sie sind stolz auf ihre Kleider. Aber sie fühlen sich regelmäßig ein wandelndes Museumstück. „Es gibt“ sagt Lijsje Roo aus Staphorst voll Abscheu, “sogar welche, die dich in dem Arm kneifen ob du auch echt bist.“

Fragmente aus: Frauen in Tracht, Pauline Broekema. Aus: Holland der Frauen, Gerda Meijerink und Robertine Romeny  (Verlag Frauenoffensive 1991)

 

Familie in MuiderbergZusjes Post

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Meine Familie in Muiderberg, bei Amsterdam. Ende des 19. Jahrhunderts.

 

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